Montag, 9. Februar 2009

Karpis/Geburt

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So wartete das scheue Menetekel, die schillernde Geburtskrone in seinen Händen
haltend, voll Unterständnis für das flutende Licht, das sich über ihn
ergoß, auf die Klinge, die sich seiner Nabelschnur annehmen sollte. Die Hände;
gefaltet zu einem Triptychon, machten joviale, unangemessene Gesten des
Widerwillens. Seine Weigerung, sein blindes Unvermögen waren schmeichelhaft für
jene, die in dieser klebrigen, von archaischem Lärm begleiteten Geburt
eine verkorkste Geste jenseits aller Zwecke sahen. Als sich dann
die Hände erbarmten und den schreienden Balg in die Armwiege nahmen,
wird es seltsam still und sein tausendfach verstärktes Plärren verstimmt
verwundert, angesichts des Gleichmuts jener Arme, denen seine urgewaltige
Kaskade nichts anhaben konnte. Schmutzige Scherben, aufgereiht wie Mohnhalme
haben seine blutigen,
winzigen Füße gebettet, Scherben einer Welt, die den Weg von Lehm zu
Stein fand, der sich zu schwarzem Glas kristallisierte, das zu trägem Silber
zerkochte und den Säugling durch Silber und Blut hatte waten lassen. Eben
diese jene Welt
lag keuchend in einem atemlosen, zermürbenden Todeskampf, bereitgehalten
für das ungnädige Mosaik, das es in sich selbst war, das sich seiner Form lange nach
seinem Glanz entledigt hatte. In einem verzweifelten, erschüttertem Röhren reichte sie jener
Ungnade die Hand, um sie zu binden, um das neugeborene, entgleiste Plärren
zu schützen. Hier fanden die Arme Gottes zurück zu ihrer Bestimmung. Diese Wiege
vermochte das zur Unkenntlichkeit verschrumpelte, klebrige, fleischig-süßliche
Menschenwesen den Weg zu sich zurück finden zu lassen, ohne dass es den
steinigen, von Gepfählten und Zerrissenen gesäumten Weg über die alte Welt
nehmen musste. Wo der Himmel seine Tränen entzündete und die letzten Hände
und Gesichter wie Fetzen von den versteinerten Bäumen hingen, getrocknet
im Wind wie zerschlissene Kleidung, geruchlos, ergraut, ihrer Geschichte beraubt. Wo die
Erinnerung an das umherwandelnde Ich erblasste und den Blick freilegte auf ein junges,
geschundenes Grün, dessen zweifelhafte Symptomatik uns wie seltsame Früchte
dem Leben preisgegeben hatte. Nun war diese Erde gehäutet, Fleisch und Gräser
zu braunem Lehm verdichtet und die Spuren dessen, was es sich selbst zugefügt
hatte: getilgt.
Aber sie konnte nicht anders.
Wie der zuckende, bluttriefende Schoß einer Mutter, umzäunt von Gesichtern,
die, angelockt von ihrem Geschrei, ihr die kosmischen, zeitlosen Pfoten
zum Trost an die Wange legten, wie eine universelle Wurzel, eingebettet
in Matrizen und Lärm war sie gezwungen, selbst ihrem Abgesang das
Menetekel der Geburt beizufügen. Die unsichtbaren Fühler, nun entblößt durch
die Flammen, die sie richteten, entließen die Form ihrer Schablone und füllten
das grüne Derivat, die Fackelrinde und Fetzen rosigen Fleisches in die Dunkelheit,
wo es zu erodiertem Staub wurde, und dieser zu einem Flüstern verkam, das dem
Säugling eines Tages im Nacken sitzen würde. Um seinen Blick für das zu
schärfen, was rückblickend seine Geburt begleitet hatte, als er zum Auge
jenes Sturmes wurde. Um es sehen zu lassen,
wie das Flüstern zu einem Rauschen anschwellen wird, um sich in tausend
Scherben, Tränen und Geplärre zur Form zu zwingen, und um mit sich den Staub der letzten
Geburt über die neue Erde zu tragen.
Und selbst die unbedeutensten Krakel und Fühler würden jemanden füttern können.
Nichts würde vergeudet, nichts würde verloren gehen.

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