Montag, 9. Februar 2009

Monkey Trick/Die Vibration

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Es machte sich in einem Blinzeln ihrer langen Wimpern bemerkbar. Zunächst. Dann
zuckten die Mundwinkel, formten rasch das ertappte Lächeln einer Frau, die nichts
zu verbergen und noch weniger zu verlieren hatte. Ihr Kopf lehnte am Fenster, die Iris
gebannt im Pendel vorbeiziehender Bäume, Backsteinhäuser, heller, leergefegter
Straßen und sauber hergerichteten Gärten. Die Welt atmete weiß. Sie verging sich
sanft am Schlaf derer, die zur Ruhe gekommen waren, gekettet an das kühle,
dampfende Milchglas, das ihre Welt behütete und narkotisierte.
Ihr Blick auf das Weiß war fragend, unsicher angesichts dieser fröstelnden,
unwirklich friedlichen Stille, die über den Dächern hing und der Akkuranz der Gebilde,
natürlich sowie künstlich, den unmerklich pulsierenden Schein schierer Zeitlosigkeit
verlieh. Etwas schwängerte die Luft und gab ihr die erhabene Dichte
eines geschliffenen Monolithes, auf dass diese Welt, diese Straßen sich selbst
und ihre Erbauer überleben sollten.
Aber soweit ging ihre Gedankenreise nicht. Es waren formlose, zurückgelassene
Gedanken, ein es, eine Metastase der Wirklichkeit, blind, aber reaktiv,
und sie gehörten "ihm", dem Raum. Es waren
"seine" Gedanken, "seine" zarte, wohlwollende Annäherung über das Dickicht der
Vibration, ein gut gemeinter Versuch, eine perpetuierende Sekunde lang riechen
zu können, womit das Mädchen seine Gedanken nährte und düngte.
Er, Es, vernahm einen Geruch, der ihn entfernt an altes Moschus erinnerte, ein
wenig wärmer, zugleich verblasst und ein Schatten dessen, was er mal war. Als
hätte man den blassen, faden Moschus in alter Tapete destilliert und ihm die
Zeit gegeben, sich all das einzuverleiben, was die Tapeten gesehen hatten. So
roch er das Alter der erblichenen Geschichten, staubiges, poröses Papyrus,
das an einer warmen Quelle trocknete und darauf wartete, zu Staub zu werden.
Ein Geruch also. Ein Geruch als Antwort auf die unaussprechliche Frage, die dem Mädchen
im Angesicht jener atmenden, zeitlosen weißen Welt auf den Lippen brannte.

Nun aber spürte sie die Anwesenheit eines Fremden, sie, mit
ihren gefaltenen Händen, den unwirklich langen Wimpern.
Vielleicht spürte sie, wie sich die Metastase um diesen Geruch in
ihrer Seele verdichtete, als zirkulierender Schweif, der ihr immer näher kam und
sich blind seinen Weg durch ihr Dickicht bahnte, geräuschvoll und unvorsichtig.
Ihre Iris jedenfalls fixierte ihn fern und beschien ihn mit der gleichen, immanenten
Sehnsucht wie den vorbeifahrenden Zug weißer, mamoresker Farbe an ihrem Fenster,
nur entwich dem Blick die Andacht und ließ eine kalte Herablassung zurück, unerträglich
für ihn, den Raum, und so verschwand er flüsternd aus ihren Korridoren, watete durch ein Meer
aus Stille, ehe er zur geräuschlosen Vibration erodierte, die den Bus unablässig
füllte, die einzige spürbare Form, die er kannte.

Karpis/Geburt

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So wartete das scheue Menetekel, die schillernde Geburtskrone in seinen Händen
haltend, voll Unterständnis für das flutende Licht, das sich über ihn
ergoß, auf die Klinge, die sich seiner Nabelschnur annehmen sollte. Die Hände;
gefaltet zu einem Triptychon, machten joviale, unangemessene Gesten des
Widerwillens. Seine Weigerung, sein blindes Unvermögen waren schmeichelhaft für
jene, die in dieser klebrigen, von archaischem Lärm begleiteten Geburt
eine verkorkste Geste jenseits aller Zwecke sahen. Als sich dann
die Hände erbarmten und den schreienden Balg in die Armwiege nahmen,
wird es seltsam still und sein tausendfach verstärktes Plärren verstimmt
verwundert, angesichts des Gleichmuts jener Arme, denen seine urgewaltige
Kaskade nichts anhaben konnte. Schmutzige Scherben, aufgereiht wie Mohnhalme
haben seine blutigen,
winzigen Füße gebettet, Scherben einer Welt, die den Weg von Lehm zu
Stein fand, der sich zu schwarzem Glas kristallisierte, das zu trägem Silber
zerkochte und den Säugling durch Silber und Blut hatte waten lassen. Eben
diese jene Welt
lag keuchend in einem atemlosen, zermürbenden Todeskampf, bereitgehalten
für das ungnädige Mosaik, das es in sich selbst war, das sich seiner Form lange nach
seinem Glanz entledigt hatte. In einem verzweifelten, erschüttertem Röhren reichte sie jener
Ungnade die Hand, um sie zu binden, um das neugeborene, entgleiste Plärren
zu schützen. Hier fanden die Arme Gottes zurück zu ihrer Bestimmung. Diese Wiege
vermochte das zur Unkenntlichkeit verschrumpelte, klebrige, fleischig-süßliche
Menschenwesen den Weg zu sich zurück finden zu lassen, ohne dass es den
steinigen, von Gepfählten und Zerrissenen gesäumten Weg über die alte Welt
nehmen musste. Wo der Himmel seine Tränen entzündete und die letzten Hände
und Gesichter wie Fetzen von den versteinerten Bäumen hingen, getrocknet
im Wind wie zerschlissene Kleidung, geruchlos, ergraut, ihrer Geschichte beraubt. Wo die
Erinnerung an das umherwandelnde Ich erblasste und den Blick freilegte auf ein junges,
geschundenes Grün, dessen zweifelhafte Symptomatik uns wie seltsame Früchte
dem Leben preisgegeben hatte. Nun war diese Erde gehäutet, Fleisch und Gräser
zu braunem Lehm verdichtet und die Spuren dessen, was es sich selbst zugefügt
hatte: getilgt.
Aber sie konnte nicht anders.
Wie der zuckende, bluttriefende Schoß einer Mutter, umzäunt von Gesichtern,
die, angelockt von ihrem Geschrei, ihr die kosmischen, zeitlosen Pfoten
zum Trost an die Wange legten, wie eine universelle Wurzel, eingebettet
in Matrizen und Lärm war sie gezwungen, selbst ihrem Abgesang das
Menetekel der Geburt beizufügen. Die unsichtbaren Fühler, nun entblößt durch
die Flammen, die sie richteten, entließen die Form ihrer Schablone und füllten
das grüne Derivat, die Fackelrinde und Fetzen rosigen Fleisches in die Dunkelheit,
wo es zu erodiertem Staub wurde, und dieser zu einem Flüstern verkam, das dem
Säugling eines Tages im Nacken sitzen würde. Um seinen Blick für das zu
schärfen, was rückblickend seine Geburt begleitet hatte, als er zum Auge
jenes Sturmes wurde. Um es sehen zu lassen,
wie das Flüstern zu einem Rauschen anschwellen wird, um sich in tausend
Scherben, Tränen und Geplärre zur Form zu zwingen, und um mit sich den Staub der letzten
Geburt über die neue Erde zu tragen.
Und selbst die unbedeutensten Krakel und Fühler würden jemanden füttern können.
Nichts würde vergeudet, nichts würde verloren gehen.

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